Boxenruhe wird bei Verletzungen oder nach Operationen oft reflexartig verordnet. Doch ist völlige Ruhe immer die beste Wahl? In der Praxis zeigt sich: Nicht jede Lahmheit oder Verletzung verlangt sofort nach kompletter Stilllegung. In diesem Artikel erfährst du, wann Boxenruhe sinnvoll ist, wann kontrollierte Bewegung besser ist und wie gezielte Physiotherapie den Heilungsprozess deines Pferdes unterstützt.
1. Was bedeutet Boxenruhe genau?
Boxenruhe ist nicht immer gleichzusetzen mit völliger Immobilität. Man unterscheidet verschiedene Arten von Boxenruhe bzw. Ruhepflichten und Bewegungsmaß. Ziel ist jedoch immer, Verletzungen zu schützen und Schmerzen zu reduzieren, ohne die Muskulatur oder den Kreislauf unnötig zu schwächen.
- Absolute Boxenruhe: Das Pferd bleibt den Großteil des Tages in der Box, kaum Bewegung, ggf. mit Futterpausen.
- Kontrollierte Bewegung: Spaziergänge auf dem Paddock, Schrittübungen, Bewegung in der Führanlage oder gezieltes Longieren.
2. Wann ist Boxenruhe wirklich sinnvoll?
Boxenruhe ist dann angezeigt, wenn Bewegung den Heilungsprozess gefährden würde. Hier schützt die Ruhe, die betroffenen Strukturen vor Überlastung und verhindert zusätzliche Schäden. Beispiele:
- Akute Verletzungen: Frakturen, frische Sehnen- oder Bänderverletzungen
- Frische OP-Wunden: Schutz der Nähte, saubere Heilung
- Postoperative Phasen: Nach orthopädischen Eingriffen wie Karpal- oder Sprunggelenksoperationen
- Schmerzhafte Erkrankungen: Akute Hufrehe, starke Gelenksentzündungen
- Blutungen/offene Wunden/Narbenheilungsstörungen: je nach Lage an den Gliedmaßen z.B. ist Boxenruhe sinnvoll
- Infektiöse Erkrankungen / Ansteckungsgefahr: Hoch ansteckende Krankheiten wie Druse (Streptococcus equi) oder andere bakterielle/virale Infektionen
- Akute Vergiftungen / Toxikosen: Eichenvergiftung, Herbstzeitlose, Schimmelpilze, Ruhe, Tierarzt, ggf. Magenspülung/Detoxifikation
- Darmverdrehung/schwere Kolik mit Kreislaufproblemen: Bewegung nur unter Tierarztkontrolle, sonst absolute Ruhe
- Akute Hitzschläge / Sonnenstich bei Pferden: Ruhige Box, Kühlung, Wasserzufuhr, Beobachtung → Boxenruhe schützt Kreislauf
- Akute Septikämie / Blutvergiftung nach Hornverletzung: Tierarzt, medikamentöse Therapie → Bewegung zu früh gefährlich
- Akute Augenverletzungen / Hornhautverletzungen: Lichtschutz, Tierarzt → keine freie Bewegung, Verletzungsrisiko hoch
3. Wann Bewegung besser ist als absolute Ruhe:
Absolute Immobilität birgt auch Risiken: Muskelabbau, Steifigkeit, Kreislaufprobleme, Lymphstau und psychische Belastung. Bewegung ist in vielen Fällen förderlicher:
- Chronische Sehnen- oder Muskelprobleme: Schonende Bewegung unterstützt die Regeneration
- Rehabilitation nach Operationen: Schrittweise Mobilisation beugt Steifigkeit vor
- Vorbeugung von Muskelatrophie: Kontrollierte Bewegung hält Gelenke geschmeidig und fördert die Heilung
- Schmerzen + Blutergüsse nach Tritt, Beiß- oder Stoßverletzungen: Lymphe + Regeneration durch Bewegung anregen, nur, wenn sich Schmerz nicht in starker Lahmheit zeigt.
- Akute Atemwegserkrankungen / Asthma / Bronchitis: Leichte Bewegung in frischer, staubarmer Umgebung, wenn Tier dies toleriert
- Leichte Kolik/Aufgasung/Verstopfung: Schrittbewegung → Darmmotilität fördern, Kreislauf unterstützen
- Alters- oder chronische Erkrankungen (Arthrose, alte Sehnenverletzungen): Bewegung, gezielte Physiotherapie, Muskelaufbau
- Stoffwechselprobleme oder Erkrankungen des Stoffwechsels: EMS – Equines Metabolisches Syndrom, Insulinresistenz / Hyperinsulinämie, Cushing / PPID (Pituitary Pars Intermedia Dysfunction), PSSM (Polysaccharid-Speicher-Myopathie), Hypothyreose / Schilddrüsenunterfunktion
4. Begleitende Physiotherapie:
Die Kombination von Boxenruhe oder gezielter Bewegung mit Physiotherapie kann die Heilung deutlich beschleunigen. Der Plan muss allerdings immer individuell abgestimmt werden – Tierarzt und Physiotherapeut arbeiten hier Hand in Hand.
Wichtig ist, das die Tierphysiotherapie während der Boxenruhe nur erfolgt, wenn das Tier kein Fieber hat. Zudem darf sie nicht direkt an folgenden Problemen arbeiten:
- offene Wunden
- noch nicht sauber verschlossene Narben
- Frakturen, Knochenbrüche
Die Kompensationsmuskulatur, d.h. die zum Zweck der Kompensation gebildete, verspannte Muskulatur darf im Akut- und Schmerzstadium nicht komplett aufmassiert werden – denn das kann gravierende Folgen haben, selbst – wenn es direkt nach der Behandlung besser scheint.
Was sich mit Tierphysiotherapie jedoch sehr gut unterstützen lässt:
- Lymphstau/Schwellungen: Wenn keine Herz-/Kreislaufprobleme vorliegen, kann eine sanfte Lymphdrainage oder Lasertherapie Druck aus dem Gewebe nehmen und Schmerzen lindern
- Gelenksteifigkeit/Knorpeldurchsaftung: Wenn Belasten der Beine gut möglich ist, kann die sanfte manuell geführte passive Mobilisation unterstützen, Gelenke und Gewebe in ihrer Mobilität zu erhalten, sowie Knorpelschäden vorbeugen – da das Durchbewegen die Synovia im Gelenk besser verteilt, welche wiederum den Knorpel ernährt
- Muskelverspannungen/Hartspann: Muskelentspannung, sanfte teilweise Lösung bei extremen Verspannungen mittels Massagen, um Hartspann vorzubeugen und die Kompensationsmuskulatur entsprechend zu unterstützen. Feine Griffe im Bereich Kopf, Kiefer, Hals und ISG können zudem ein Wohlgefühl und Wohlbefinden auslösen und somit zur mentalen Gesundheit – gerade bei wenig Ausgleich in Boxenruhe – beitragen
- Gewebeheilung/Immunsystem/Zellaktivierung: Der Laser kann durch unterschiedliche Lichtfrequenzen gezielt verschiedene Gewebstypen und deren Selbstheilung ansprechen, ohne unnötige Wärme, Nadeln, Schmerzen zu erzeugen. Während und nach der Anwendung kann es durch die Anregung der Zellen zu körpereigens verusachter Wärme im Gewebe kommen, was die Heilung zusätzlich anregen kann.
Wichtig, wenn auch kontrollierte Bewegung in Verbindung mit Tierphysiotherapie wieder möglich ist:
- Schrittweise Steigerung: Erst Schritt, dann leichter Trab, angepasst an die Verletzung
- Passive Mobilisation: Sanfte Dehnungen und Lockerungsübungen
- Aktive Physiotherapie: Muskelaufbau, Haltungsschulung, Gleichgewichtstraining
- Hilfsmittel: Führanlage, Longieren, Paddockgänge
5. Risiken falscher Boxenruhe:
Wenn Boxenruhe unnötig lange oder falsch verordnet wird, entstehen Probleme:
- Muskelabbau und Steifigkeit
- Kreislaufprobleme durch Bewegungsmangel
- Psychische Belastung: Langeweile, Stress, unerwünschtes Verhalten
- Verzögerte Heilung: Gelenke und Muskeln verlieren Elastizität
6. Fazit & Empfehlungen:
Boxenruhe ist kein Allheilmittel – sie muss situationsabhängig eingesetzt werden.
- Individuell prüfen: Verletzungsart, Alter, Fitness und Temperament des Pferdes berücksichtigen
- Kombination Tierarzt + Physiotherapie: Optimal, um Heilung zu fördern und Risiken zu minimieren
- Kontrollierte Bewegung bevorzugen, wenn es die Verletzung zulässt
Merksatz: Nicht jede Verletzung erfordert absolute Ruhe – oft ist gezielte Bewegung und Physiotherapie der schnellere Weg zur Genesung.
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